Vom Wert des gemeinsamen Arbeitens

Nach einem durchwachsenen Jahr gelang unserer integrativen Kunstklasse ein schöner Abschluss.

Das Märchen „die Wassernixe“ wurde von den Kindern gemeinsam in einem einfachen Trickfilm bearbeitet:

Beim Ballspielen geraten zwei Kinder in einen tiefen Brunnen, in das Reich einer gemeinen Wassernixe. Trotz hinterhältiger magischer Tricks gelingt den Kindern letztendlich die Flucht, was die Wassernixe veranlasst, sich vor Wut in ein Fass zu stürzen.

Das Märchen wurde gelesen, besprochen und in Sequenzen geteilt. Die Aufgaben – Verfassen einer Liste der notwendigen Hintergründe, Figuren und Gegenstände; Umsetzung selbiger; Entwurf eines einfachen Storyboards, Legetrick und Fotografie – wurden von den Schülern arbeitsteilig übernommen.

Vielleicht würde man jetzt gerne lesen, dass jedes Kind

die Aufgabe übernehmen durfte, die es übernehmen wollte. So war es aber nicht. Wir mussten hart verhandeln, wer was machen durfte und nicht jeder war zu allem in der Lage. Da ging es auf beiden Seiten (die trennende Begrifflichkeit gefällt mir zwar nicht, wird aber der Lesbarkeit wegen verwendet) auch darum, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren.

Vielleicht würde man weiterhin gerne lesen, dass jedes Kind einen großen und wesentlichen Beitrag leisten konnte. So war es aber auch nicht. Jeder übernahm das, was er übernehmen konnte und dementsprechend fielen die Aufgaben unterschiedlich groß und anspruchsvoll aus. Und das ist gut so, meine ich, denn es geht ja gerade darum, zu lernen, dass es völlig o.k. ist, wenn der eine mehr leistet als der andere.

(Ich finde es persönlich beschämend, immer wieder das Argument gegen Inklusion zu lesen, die Kinder fühlten sich benachteiligt, wenn andere weniger leisten müssten. Als ich vor vielen Jahren in einem Altenpflegeheim arbeitete, begrüßte mich eine alte bettlägrige Dame tagtäglich mit den Worten: „Sei froh, dass de schaff kannst“ (fränkisch: sei froh, dass du arbeiten kannst). Ja, das bin ich und ich wünsche jedem – auch jedem Kind– möglichst frühzeitig die Einsicht in die Weisheit dieser Worte.)

Weiterhin wäre es wohl schön, wenn man lesen könnte, dass jedes Kind die Arbeit des anderen vorbehaltlos akzeptiert habe. Na ja, das war auch nicht ganz der Fall. Obwohl wir über ein Schuljahr hinweg geübt hatten, das was der Andere malt, zeichnet oder plastiziert in seinem Eigenwert zu erkennen, fiel es den Kindern schwer, die eigene Vorstellung wie etwa ein Brunnen oder ein magischer Kamm aussehen sollte, hinten anzustellen und die andere Sicht- und Gestaltungsweise zu akzeptieren. Letztlich durften dann aber alle Märchenfiguren, Steine und Fässer mitspielen.

Unterm Strich: Um ein absolutes Verständnis aller untereinander kann es nicht gehen. Das ist auch unter Menschen ohne Behinderung nicht erreichbar und wohl auch nicht erstrebenswert. Wohl aber geht es um Annäherungs- und Kompromissbereitschaft, um sensiblen Umgang miteinander und um die Frage, wer sich denn jeweils gegenübersitzt und die steht indirekt auch dann im Raum, wenn die Frage fällt, ob die Figur des Jungen keine Ellbogen brauche und ob ein Stein tatsächlich so aussehen dürfe.

Ja er kann!

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