Schule beweglich machen – Gedanken zur Tagung „Kunsttherapie und Schule“

Auf einer interdisziplinären Tagung von Kunstpädagog*innen und Kunsttherapeut*innen übten wir uns im Perspektivenwechsel und arbeiteten gemeinsam daran, wie wir uns Schule auch jenseits aktueller limitierender Faktoren vorstellen können. Die Kolleg*innen aus der Kunsttherapie stellten überzeugende Projekte vor, die die heilende und salutogenetische Kraft des künstlerischen Handelns anschaulich zeigten. (Exemplarisch: Integrierte Kunsttherapie).

Wir Kunst- und Sonderpädagog*innen zeigten Schnittmengen auf und fanden mühelos Brücken von unserem bildenden zum therapeutischen und präventiven Handeln. Indem wir uns mit den eigenen Händen gestaltend ein Bild von der Welt machen, begegnen wir uns auch immer selbst. Diese Begegnung kann uns im Sinn eines Lernprozesses voranbringen, sie kann uns aber auch mit etwas konfrontieren, das zunächst nach einer Zäsur im Voranschreiten fordert.

So mag auch etwas in Erscheinung treten, das der individuellen und sorgsam begleiteten Bearbeitung in einem geschützten Rahmen bedarf, den ein Lehrer so nicht herstellen kann. „Manchmal sind auch Kinder mit basaler Lebenssicherung befasst und könne sich dann schlicht nicht um Schule kümmern“ (Christine Mechler-Schönach).

Nürtingen
Nürtingen

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Hier beginnt die Profession der Kunsttherapie. Im Malen, Zeichnen, Plastizieren, Theaterspielen können selbstreflektorische Klärungsprozesse angestoßen werden hier öffnen sich aber auch – und dies scheint mir besonders wichtig – Möglichkeitsräume außerhalb der permanenten Steigerungsdynamiken in denen sich auch unsere Kinder befinden, im selbstvergessenen und von äußeren Zwecken befreiten Tun zur Ruhe zu kommen. Dies mag dort besonders wichtig werden, wo sich das Leben gerade brüchig und wenig freundlich zeigt.

Krisen gehören zum Menschsein, das ist wohl eine Binsenweisheit. Und dennoch scheinen krisenhafte Episoden im Lebensfeld Schule noch zu wenig Beachtung zu finden. Der Einbindung kunsttherapeutischer Arbeit in schulische Kontexte stehen diverse Hindernisse im Weg. Wer darf was? Und was kann wie finanziert werden? Müssen wir Kinder erst mit einer Diagnose versehen und damit ein Stück weit stigmatisieren, damit Gelder fließen, oder wäre es nicht vielleicht doch an der Zeit, neue Sichtweisen voranzutreiben?

Auch aus inklusionspädagogischer Sicht wäre es doch hilfreich, wenn wir psychische Ausnahmezustände, Behinderung und Beeinträchtigung nicht mehr per Diagnose an einzelne Kinder heften müssten, sondern prinzipiell als situativ bedingtes Lernbiografiemoment erkennen und beweglicher behandeln könnten. Akzeptierten wir auf diesem Weg die Normalität jener besonderen aber allgemeinmenschlichen Episoden, könnten wir vielleicht Prävention und Therapie als normalen Teil von Schule etablieren.

In meinem Beitrag ging es um „Angst und Schule“. Mir ging es zum Einen darum, Angst als Teil elementarer Lebenskräfte darzustellen. Ich nehme an, dass Angst nicht per se negativ sein muss und dass viele Lernprozesse von Ängsten begleitet sind. Als Lehrende (und stets ja auch selbst Lernende) hilft es, wenn wir uns dessen bewusst sind. Zum Anderen wollte ich für die Nöte sensibilisieren, in welche Kinder geraten, die unter Schulängsten leiden. Die alarmierenden Zahlen der Kinder und Jugendlichen, die wegen Schulängsten behandelt werden müssen, sollten uns zu raschem Handeln motivieren. Letztlich versuchte ich einen Bogen zu spannen, zwischen den vehementen Steigerungs- und Entfremdungsmechanismen, die unser Leben durchziehen und den Ängsten und skizzierte in der resonanzhaften ästhetischen Erfahrungen nicht ein Heilmittel, wohl aber eine Gegenkraft.

Aufnahme des Vortrags und anschließende Fragen und Antworten

3 Responses

  1. Liebe Frau Schirmer,

    danke für Ihren sehr fesselnden Vortrag am Samstag. Leider habe ich Sie nach dem Vortrag nicht mehr erwischt. Sie hatten erwähnt, dass Sie auf der Suche nach kunsttherapeutischen Autoren für ein Booklet sind. Ich habe großes Interesse, mehr über dieses Projekt zu erfahren. Bitte kontaktieren Sie mich doch.

    Herzliche Grüße
    Barbara Bareiß

  2. Liebe Anna,
    wir haben uns sehr gefreut, dass du an unserer Tagung teilgenommen hast und sie mit deinem fulminanten Vortrag über „Angst und Schule“ bereichert hast!
    Kunstpädagogik kunsttherapeutisch bzw. Kunsttherapie kunstpädagogisch querzudenken, also aus den benachbarten Felder auf die spezifischen Potenziale und Grenzen des eigenen Handlungsfeldes zu schauen, halte ich im Sinne der Schülerinnen und Schüler, aber auch der Lehrerinnen und Lehrer für notwendig.
    Ich bin neugierig, wie sich der Möglichkeitsraum zwischen den beiden Professionen im weiteren Diskurs formt.
    Sehr herzlich,
    Tobias

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