Kunstunterricht: Wozu ist das gut?

Als Lehrerin entscheide ich faktisch jeden Tag über die Verwendung von Lebens- und Bildungszeit meiner Schüler. Kinder und Jugendliche verbringen in der Schule, in der ich arbeite, ca. 45- 90 Minuten im Kunstunterricht. Sie zeichnen, malen, fotografieren, plastizieren, fertigen Drucke an, bauen Modelle und betrachten Kunstwerke und Phänomene der Alltagsästhetik.

Die Frage, `wozu ist das gut?`, steht nicht nur oft im Klassenraum, sondern beschäftigt sicher auch Eltern und Menschen, die über Schule nachdenken.

Warum einen aufwendigen Holzschnitt zum Drucken eines Bildes anfertigen, wenn wir doch allerorts und jederzeit über Drucker verfügen? Muss man heute wirklich noch zeichnen können?

Weshalb mit den Werken von freakigen Künstlern Zeit verbringen oder Architektur aus längst vergangener Zeit betrachten?

Ich möchte hier einige meiner persönlichen Antworten anbieten und meine Unterrichtsentscheidungen offen legen, fragmentarisch, strichpunktartig, diskutierbar

Beispiel 1: Ein Raum für einen Satz

Bei dieser Unterrichtseinheit wählten die Schüler einer 12. Klasse eine Zeile aus einem Lied oder einem Gedicht. Die Aufgabe bestand darin, zu dem Textfragment modellhaft eine Rauminstallation zu entwickeln, die mit Schrift und Bild arbeitet.

 

Wozu?

  • Schriftarten ausprobieren > Veränderung der Textaussage beobachten > diverse Interpretationsansätze andenken.
  • Assoziative Zeichenserien entwickeln > mit Bildern um den Text kreisen, dabei die Bedeutung in diverse Richtungen ausloten > weitere eigenen Interpretationspfade entwickeln.
  • Bild und Text im Raum so kombinieren, dass die eigenen Gedanken zum Text eingefangen werden.
  • Den Rätselcharakter metaphorischer Aussagen erkennen und konstruktiv nutzen.

 

Unterm Strich: 

Für jede Nachricht gibt es viele unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten. Lapidar formuliert sieht jeder die Welt durch seine Augen und hört Nachrichten mit seinen Ohren.

Dies zu verstehen, ist eine wichtige Grundlage für gelingende Kommunikation. Wenn am Ende der Unterrichtseinheit 25 begehbare Interpretationsräume zu Verfügung stehen, haben wir nicht nur faktisches Wissen erworben, wir haben verstehensbildende Erfahrungen gemacht: Du verstehst einen Satz anders als ich und dein Verständnis kann meine Sichtweise erweitern!“

Die bildnerische Gestaltung spielt dabei eine wesentliche Rolle, denn auf diesem Weg kann die eigene Interpretation nicht nur kommuniziert, sondern entwickelt, ausdifferenziert und geklärt werden.

(Ca. 300 Minuten Lebens- und Bildungszeit, Vorübungen inklusive)

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